Ein Vorbild für den Nachwuchs
Das Jahresende hielt gleich zwei besondere Ereignisse für die Bamberger Romanistin Annegret Bollée bereit: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligte der 77-j?hrigen weitere Mittel für ein einzigartiges W?rterbuchprojekt und die Universit?tsleitung ernannte die unermüdliche Forscherin zur Emerita of Excellence. Damit ist sie die erste Professorin in der Gruppe der Senior Researcher.
Die Universit?t Bamberg hat einen neuen Emeritus of Excellence. Genauer gesagt, eine Emerita. Denn Prof. em. Dr. Annegret Bollée, von 1978-2002 Inhaberin des Lehrstuhls für romanische Sprachwissenschaft an der Universit?t Bamberg, ist die erste Wissenschaftlerin, die mit diesem Ehrentitel ausgezeichnet wird. ?Annegret Bollée setzt bis heute in der Forschung Akzente“, würdigt Universit?tspr?sident Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert das Engagement der Romanistin. ?Gerade für Studierende und Nachwuchswissenschaftler ist es wichtig, Vorbilder zu haben, an denen sie sich orientieren k?nnen. Eine Wissenschaftlerin, die über Jahrzehnte an einem Thema dran bleibt, auch wenn es manchmal schwierig ist, ist ein solches Vorbild.“
Darüber hinaus war Bollée in ihrer aktiven Zeit an der Universit?t Bamberg auch in der akademischen Selbstverwaltung überdurchschnittlich t?tig. ?Als Dekanin, Vizepr?sidentin, Frauenbeauftragte sowie Leiterin des von ihr konzipierten Sprachen- und Medientechnischen Zentrums pr?gte sie die Geschicke der Universit?t in den 80er- und 90er Jahren entscheidend mit“, so Ruppert.
Als Emerita of Excellence ist Annegret Bollée neben Dietrich D?rner, Lothar Laux, Richard Münch und Reinhard Zintl in den Kreis der sogenannten Senior Researchers aufgenommen, die auch nach ihrem Eintritt in den Ruhestand in besonderer Weise für die Universit?t Bamberg aktiv sind. Gemeinsam mit ihren vier Kollegen leitet und betreut Annegret Bollée weiterhin Forschungsprojekte und gibt ihre Kompetenzen in Beratung und Begleitung an jüngere Forscherinnen und Forscher weiter.
Zudem hat sie die M?glichkeit, f?cherübergreifende Seminare für alle Promovierenden der Universit?t Bamberg anzubieten. ?Für unsere Universit?t ist der 188bet亚洲体育备用_188体育平台-投注*官网 zu unseren entpflichteten Professorinnen und Professoren besonders wichtig“, erl?utert Godehard Ruppert. ?So k?nnen vor allem unsere Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler weiterhin von deren enormem Fachwissen und gut ausgebauten Netzwerken profitieren.“
Leidenschaft für Frankokreolsprachen
Und dieses Fachwissen ist gerade bei Annegret Bollée deutschlandweit einzigartig. W?hrend andere auf den Seychellen Urlaub machen, hat die Romanistin intensiv das dortige sprachliche System untersucht. Denn der Inselstaat im Indischen Ozean mit seinen 42 Granit- und 73 Koralleninseln, endlosen Traumstr?nden und glasklarem Wasser hat mehr zu bieten als üppige Flora und Fauna. Von der westlichen Gesellschaft lange Zeit unbemerkt entstand dort eine ganz besondere Sprache, die in dieser Form weltweit einzigartig ist: das Seychellen-Kreol. Es geh?rt zu den franz?sischbasierten Kreolsprachen, den sogenannten ?Frankokreolsprachen“, die w?hrend der franz?sischen Kolonialherrschaft entstanden sind, als Sklaven in gro?er Zahl die Sprache ihrer Kolonialherren erlernen mussten.
Wie auch die englisch-, spanisch- und portugiesischbasierten Kreolsprachen gilt Frankokreol bis heute vielfach als inoffizielle Sprache ohne eigenen Wert, die nur neben einer europ?ischen Amtssprache gesprochen wird. ?Die Gesamtheit der Kreolsprachen verbindet eine stark von Ideologie gepr?gte Wissenschaftsgeschichte. So wurden sie zu Beginn ihrer Erforschung im 19. Jahrhundert mehr als drolliges Kuriosum denn als ernstzunehmendes Forschungsfeld behandelt“, erkl?rt Annegret Bollée ihren Forschungsgegenstand.
Entsprechend lange dauerte es, bis auch die Wissenschaft diese Sprachen für sich entdeckte. Erst in den 1960er Jahren entstand in der Linguistik die Disziplin Kreolistik. Die Wirkung, die Annegret Bollée 1976 mit ihrer Habilitationsschrift zum Kreolischen der Seychellen hervorrief, war daher gro?. Eine deutsche Wissenschaftlerin, die sich mit Kreolistik befasste, hatte es bis dahin nicht gegeben. Doch Annegret Bollée lie? sich von der anfangs sehr verwunderten franz?sischen Fachwelt nicht beeindrucken, forschte weiter und bezog auch nach und nach die beiden anderen Kreolsprachen des Indischen Ozeans, das Kreolische von Réunion und Mauritius, in ihre Arbeiten mit ein. Mittlerweile umfasst ihr Publikationsverzeichnis 12 Monographien, vier Herausgeberschaften und mehr als 60 Aufs?tze sowie über 50 Rezensionen.
Einsatz für die Aufwertung der ?Sklavensprachen“
Auch bei ihrer Arbeit als Sprachwissenschaftlerin ist es Bollée bis heute wichtig, über den Tellerrand hinauszublicken. Es geht ihr nie ausschlie?lich nur um die Sache, um die grammatikalische Beschreibung von bis dato nicht beschriebenen Sprachen, um reine Datenanalysen oder sprachtheoretische Reflexionen. Stets hat sie die Menschen im Blick, die dahinter stehen, und k?mpft für die Aufwertung dieser ?Sklavensprachen“ und ihre Akzeptanz in den jeweiligen Bildungssystemen. ?Kreolsprecher gelten bisweilen immer noch als beschr?nkt und unf?hig, die Sprache der Europ?er korrekt zu erlernen. Dieses Vorurteil, das ihnen bis heute anhaftet, versuche ich mit meinen Arbeiten zu entkr?ften“, erl?utert Bollée ihr pers?nliches Engagement.
So entwickelte sie beispielsweise nicht nur eine Graphie für das Seychellen-Kreol, die es überhaupt erst erm?glichte, dass das Kreolische verschriftlicht und als Sprache der Bildung und des offiziellen Lebens neben Englisch und Franz?sisch reüssieren konnte, sie unterstützt die Seychellois auch aktiv bei der Einforderung des Grundrechts auf Gebrauch der eigenen Sprache in allen Bereichen des t?glichen Lebens.
Kurz vor ihrer Ernennung zur Emerita of Excellence war sie wieder von einer Reise auf die Seychellen zurückgekehrt, auf der sie Vortr?ge gehalten und ein Buch pr?sentiert hat: eine Edition kreolischer Texte, Erinnerungen von betagten Seychellois, die das Leben in der Kolonialzeit und die traditionelle seychellische Kultur beschreiben. ?Ehre gebührt dem, der Ehre gibt. Mit Ihrem Engagement haben Sie einem Personenkreis, den Kreolsprechern, Ehre gegeben, die sonst keine erfahren h?tten“, unterstrich Godehard Ruppert die Bedeutung von Annegret Bollées Wirken.
Ein etymologisches W?rterbuch für die Frankokreolsprachen
Der Eintritt in den Ruhestand nach rund 25-j?hriger Lehr- und Forschungst?tigkeit war für die leidenschaftliche Sprachforscherin also nicht das Ende, sondern nur der Anfang vieler weiterer Projekte. 2007 erschien ihr Opus Magnum, das erste und bislang einzige etymologische W?rterbuch der Frankokreolsprachen: Dictionnaire étymologique des créoles de l’Océan Indien (DECOI), das sie gemeinsam mit ihrer ehemaligen Doktorandin und Projektmitarbeiterin Dr. Ulrike Scholz und ihrer ehemaligen Doktorandin und Habilitandin Dr. Ingrid Neumann-Holzschuh, mittlerweile Professorin für Romanistik an der Universit?t Regensburg, durchführte. Als sie sich kurz nach Fertigstellung zu ihrem 70. Geburtstag schwor: ?Nie mehr im Leben ein W?rterbuch!“ w?hrte der Vorsatz auch prompt nicht lange. Leidenschaften lassen sich eben nicht einfach abstellen.
Und so machte sich Annegret Bollée auf zu ihrem n?chsten Projekt, einem Nachfolgewerk, das den Kreolsprachen Haitis, der kleinen Antillen, Louisianas und Franz?sisch-Guyanas gewidmet ist. Pünktlich zu ihrer Ernennung zur Emerita of Excellence hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) einen entsprechenden Antrag genehmigt. Stück für Stück kommt sie so ihrem gro?en Lebenstraum n?her: ein etymologisches W?rterbuch aller franz?sischen Kreolsprachen zu erstellen. Und dann? Nie mehr ein W?rterbuch? ?Dann ist Schluss“, bekr?ftigt die Wissenschaftlerin. Sie überlegt kurz und l?chelt. ?Obwohl, so richtig fertig ist man ja eigentlich nie“.
Hinweis
Diesen Text verfasste Tanja Eisenach für die 188bet亚洲体育备用_188体育平台-投注*官网stelle der Universit?t Bamberg. Er kann für redaktionelle Zwecke verwendet werden.
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