▼ Professorin Dr. Rotraud Wielandt [2008]
\\ PROFESSORINNEN AN DER UNIVERSIT?T BAMBERG
\\ INTERVIEW VON 2008
"Einmal, kurz nach Antritt meines Amtes, titulierte mich auch einmal einer gegenüber Dritten als ?diese Emanze“, wie mir prompt weitergemeldet wurde."
Sie waren die zweite Universit?tsfrauenbeauftragte an der Universit?t Bamberg. Wie haben Sie die Einführung des Amtes in Erinnerung?
Als eine spannende Zeit der Strukturierung eines neuartigen Arbeitsfelds, in dem sich Wissenschaft mit sozialem Engagement verbinden lie?. Meine leider früh verstorbene Vorg?ngerin, die P?dagogin Dr. Bettina Paetzold, die das Amt in der Anfangsphase zun?chst kommissarisch und dabei sehr engagiert wahrgenommen hatte, hatte dafür schon etliche Pionierarbeit geleistet.
Warum haben Sie sich zur Wahl für dieses Amt gestellt?
Weil ich es wichtig fand, dass die mit ihm verbundenen M?glichkeiten der gezielten F?rderung von Studentinnen und Nachwuchswissenschaftlerinnen, aber auch der Kontrolle von Berufungsverfahren und anderen universit?ren Vorg?ngen im Hinblick auf die Gleichbehandlung von M?nnern und Frauen klug genutzt wurden – und das hie? für mich nicht zuletzt: ohne altmodische radikalfeministische Attitüden, die die Kooperationsbereitschaft der m?nnlichen Universit?tsangeh?rigen nur h?tten untergraben k?nnen; und weil zu den damaligen Arbeitsbedingungen einer Frauenbeauftragten, die viel schlechter waren als die heutigen – die gesamte Gremienarbeit war durch eine einzige Professorin zu leisten, es gab für die Frauenbeauftragte keine Mitarbeiterin und keine Hiwis, nur einige wenige Stunden pro Woche Unterstützung durch eine Schreibkraft – sonst gerade niemand bereit war, sich für diese Aufgabe zur Verfügung zu stellen.
Welche Hauptaufgaben waren w?hrend Ihrer Amtszeit zu bew?ltigen?
Ausschreibung der Frauenf?rderungsstipendien des Hochschulsonderprogramms II, Werbung für diese F?rderungsm?glichkeit bei geeigneten Kandidatinnen, Beratung von Bewerbungsinteressentinnen und Mitwirkung bei der Stipendienvergabe in der St?ndigen Kommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs; Teilnahme an allen Senatssitzungen und an denjenigen Sitzungen der zentralen Kommissionen, in denen Themen mit m?glichem Bezug zu Gleichstellungsfragen auf der Tagesordnung standen; ggf. auch Hinwirkung auf Behandlung entsprechender Fragen in den diesen Gremien – die Bestimmungen zu Prüfungserleichterungen für hochschwangere Studentinnen wurden auf meine Initiative hin auf den Weg durch die Gremien gebracht; Abhaltung von Sprechstunden und n?tigenfalls Organisation weitergehender Unterstützung für Studentinnen und Nachwuchswissenschaftlerinnen mit geschlechtsspezifischen Studien- und Berufsproblemen – meist ging es dabei um Schwierigkeiten der Vereinbarung von Schwangerschaft/Mutterschaft und Weiterarbeit, mangelnde Akzeptanz des gew?hlten Qualifikationswegs bei eigenen Familienangeh?rigen u.?., in einem Fall auch einmal um eine Beschwerde wegen sexistischer ?u?erungen eines Dozenten; Herausgabe des ersten Bamberger Studienführers speziell für Studentinnen; Teilnahme an Landes- und Bundeskonferenzen der Universit?tsfrauenbeauftragten zum Erfahrungs- und Informationsaustausch sowie zur Beratung über sinnvolle Zielsetzungen für die weitere Ausgestaltung des damals bundesweit noch neuen Amtes.
Was haben Sie für eine Resonanz auf das neue Amt von Seiten der Professorinnen und Professoren und der Hochschulleitung (ggf. auch Studierenden und Wissenschaftlerinnen/ Wissenschaftlern) erlebt?
Im Allgemeinen eine positive: Der Rektor, die damals durchweg m?nnlichen Kommissionsvorsitzenden und die Dekane, mit denen ich zu tun hatte, haben mich stets aufs Beste unterstützt. Auch die Kollegen und Kolleginnen im Lehrk?rper der Universit?t und die Herren und Damen von der Universit?tsverwaltung verhielten sich fast durchweg sachlich und kooperativ. Nur ganz vereinzelt taten sich M?nner zu Anfang mit der für sie noch ungewohnten Erscheinung einer Frauenbeauftragten etwas schwer. So schickte sich z.B. ein Kollege, der sich bis dahin stets sehr kavaliersm??ig verhalten hatte, nach der ersten Gremiensitzung, an der ich als Frauenbeauftragte gemeinsam mit ihm teilgenommen hatte, an, mir beim Verlassen des Sitzungssaales die Tür aufzuhalten, zog aber dann pl?tzlich seine Hand mit der Bemerkung zurück: ?Ach so, Sie wollen das ja jetzt nicht mehr!“ Einmal, kurz nach Antritt meines Amtes, titulierte mich auch einmal einer gegenüber Dritten als ?diese Emanze“, wie mir prompt weitergemeldet wurde. Einige wenige brauchten eben etwas l?nger, um zu verstehen, was eine Universit?tsfrauenbeauftragte ist und warum es sie bis auf weiteres geben muss. Derartige Kommentare verstummten dann aber ziemlich bald. Studentinnen und Nachwuchswissenschaftlerinnen haben die Dienste, die ich ihnen leisten konnte, stets sehr dankbar angenommen, und von Seiten m?nnlicher Studierender gab es nie negative Reaktionen. Nur kam einmal ein studierender junger Vater, der nach seiner Scheidung alleinerziehend war und deshalb mit erheblichen Problemen zu k?mpfen hatte, in meine Sprechstunde und klagte mir, dass es für Situationen wie die seine keinen M?nnerbeauftragten gebe. Ich habe dann versucht, ihm durch den Hinweis auf mir bekannte Beratungsstellen und soziale Unterstützungsm?glichkeiten ein Stückchen weiterzuhelfen.
Frau Prof. Wielandt, Sie haben zu einer Zeit Ihre akademische Laufbahn bis zur Professorin absolviert, als es die Einrichtung der Universit?tsfrauenbeauftragten und die folgende Frauenf?rderung noch nicht gab; Wie haben Sie das erlebt und h?tte Ihnen eine entsprechende Einrichtung bei Ihrem beruflichen Werdegang behilflich sein k?nnen?
Mein eigener Einstieg in die akademische Laufbahn war sehr schwierig, und er war von Diskriminierungserfahrungen nicht ganz frei. So sagte mir einer der vier Gutachter, die meine Doktorarbeit mit ?summa cum laude“ bewertet hatten, direkt nach dem Rigorosum fr?hlich: ?Eine Stelle brauchen Sie ja nicht, denn für Sie sorgt ja sp?ter mal Ihr Mann.“ Damals herrschte in der Islamwissenschaft eine extreme Knappheit an Nachwuchsstellen. An meiner Herkunftsuniversit?t war auf lange Zeit hinaus keine frei, und die sehr wenigen Assistenturen, die anderw?rts in Deutschland etwa um die Zeit meiner Promotion neu zu besetzen waren, gingen durchweg an junge M?nner mit nicht ganz so guten Promotionen. Ich musste mich – genau wie eine etwa gleichaltrige Fachkollegin, die ebenfalls mit ?summa cum laude“ promoviert hat - über viele Jahre hin mit Stipendien, mit jeweils auf 12 Monate befristeten Stellen im Ausland und ?hnlichen L?sungen durchschlagen. Allerdings sei auch dankbar vermerkt: Das Durchhalten dieser Durststrecke wurde mir durch mehrere m?nnliche Fachkollegen der ?lteren Generation wesentlich erleichtert, die mich beharrlich durch Gutachten und Hinweise unterstützt haben; ohne sie h?tte ich noch nicht einmal diese chronisch unsicheren Interimsl?sungen bekommen. Dass mir eine Universit?tsfrauenbeauftragte unter den damaligen Umst?nden meinen Weg h?tte erleichtern k?nnen, bezweifle ich: Ermutigung durch eine Professorin habe ich – im Gegensatz zu manchen der jungen Frauen, die ich sp?ter als Frauenbeauftragte beraten habe – für meinen Weg pers?nlich nie gebraucht. Das hing gewiss auch mit meiner privilegierten Ausgangssituation zusammen: Mein Vater war ein begeisterter und sehr erfolgreicher Wissenschaftler – wenn auch in einem ganz anderen Fach als dem, das ich nachher gew?hlt habe. Meine Mutter war eine Fachkollegin von ihm, die zwar einige Jahre nach dem Staatsexamen ihre eigene Berufst?tigkeit der Kinder wegen eingestellt hat, aber an seiner Forschungsarbeit und überhaupt an der weiteren Entwicklung ihres Faches immer lebhaft Anteil nahm. Beide Eltern haben mir von klein auf das Gefühl vermittelt, dass Wissenschaft etwas Gro?artiges ist, was jede Anstrengung lohnt. Eine Frauenbeauftragte h?tte mir bei der Erlangung einer Assistentenstelle zu der Zeit, zu der ich eine gebraucht h?tte, faktisch nicht helfen k?nnen: Mein eigener Doktorvater hatte damals einfach keine, die er mir h?tte geben k?nnen, und generell funktionierte zu jener Zeit in ganz Deutschland die Besetzung von Assistentenstellen ohne Ausschreibungen oder sonstige formalisierte Prozeduren, die durch ein Amt wie das der Frauenbeauftragten zu kontrollieren sind. Nachdem ich mich erst einmal habilitiert hatte, spielte meinem Eindruck nach bei Bewerbungen mein Geschlecht keine Rolle mehr.
Wie sehen Sie die Entwicklung der Institution der Universit?tsfrauenbeauftragen in den letzten 20 Jahren? Was hat sich an der Universit?t Bamberg durch das Amt der Frauenbeauftragten ver?ndert? Was für eine Entwicklung wünschen Sie sich für die Zukunft?
Die Institution der Universit?tsfrauenbeauftragten ist durch Bereitstellung der n?tigen Infrastruktur und durch die Aufteilung der Gremienarbeit auf zwei Professorinnen, die sich das Amt teilen, auf eine praktikable Grundlage gestellt worden, und sie ist ein Stück der universit?ren Normalit?t geworden, hinter der niemand mehr ein unbilliges weibliches Streben nach Macht oder Bevorzugung wittert. Alles beides halte ich für begrü?enswerte Fortschritte. Durch das Amt der Frauenbeauftragten hat sich an der Universit?t Bamberg im Lauf der Jahre eine nachhaltige Verbesserung des Informationsstandes über F?rderungsm?glichkeiten und Stellenausschreibungen, die speziell für Frauen von Interesse sein k?nnen, und in den Gremien eine erh?hte Sensibilit?t für Gleichstellungsfragen ergeben. Für die Zukunft wünsche ich mir an den Hochschulen und in der Gesellschaft als ganzer eine Entwicklung, die das Amt der Frauenbeauftragten überflüssig macht. Aber von dem Punkt, an dem es entbehrlich wird, sind wir wahrscheinlich noch ein gutes Stück weit entfernt.