Chancen und Herausforderungen kultureller Lehrerinnen- und Lehrerbildung
Geisteswissenschaften spielen in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung gerade angesichts zunehmender kultureller Heterogenit?t in Klassenzimmern eine herausragende Rolle. Die Potenziale und Herausforderungen einer ?Kulturellen Lehrerinnen- und Lehrerbildung“ im Austausch zwischen geistes- und kulturwissenschaftlichen Fachwissenschaften und Fachdidaktiken sowie kulturbezogen forschenden Bildungswissenschaften standen daher am 14. und 15. M?rz 2019 im Mittelpunkt einer Tagung an der Otto-Friedrich-Universit?t Bamberg.
Die interdisziplin?r ausgerichtete Tagung veranschaulichte die Vielgestaltigkeit des Forschungs- und Professionalisierungsfeldes "Kulturelle Lehrerinnen- und Lehrerbildung" sowohl auf personaler wie auch auf wissenschaftlicher Ebene. Mit rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie über vierzig Beitr?gen in neun thematischen Sessions, diskussionsfreudigen Foren und einer Posterausstellung pr?sentierte sich die Vielfalt geistes- und kulturwissenschaftlicher Fachwissenschaften und Fachdidaktiken sowie kulturbezogen forschender Bildungswissenschaften. Daran zeigte sich, dass das Anliegen einer St?rkung kultursensibler Lehrerinnen- und Lehrerbildung von einer breit aufgestellten Community getragen wird, die jedoch in dieser, in der Bamberger Tagung zur Geltung kommenden Interdisziplinarit?t bislang kaum im Austausch gestanden hat. Insgesamt adressierte die Veranstaltung zentrale Anliegen der Qualit?tsoffensive Lehrerbildung wie eine Profilierung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung an den Hochschulen, eine Auseinandersetzung mit Fragen von Heterogenit?t und Inklusion sowie insbesondere eine st?rkere Verzahnung der Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften.
Angesichts der Ausdifferenzierung der F?cher im Gefolge des Cultural Turn sei es in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung notwendig, transdisziplin?re Kooperationen anzubahnen und Potenziale aus den geschaffenen Verbindungen zu sch?pfen, argumentierten Prof. Dr. Sabine Vogt und Prof. Dr. Konstantin Lindner, die beiden Sprecher von KulturPLUS, einem Teilprojekt des von der Qualit?tsoffensive Lehrerbildung gef?rderten Projekts WegE an der Universit?t Bamberg, in ihrem Er?ffnungsbeitrag.
In diesem Prozess Ambiguit?ten auszuhalten und das Potenzial der Geisteswissenschaften auch gegen Widerst?nde gesellschaftlich zu nutzen, dazu ermutigte die Literatin Nora Gomringer zu Beginn der Tagung in ihrer ausdrucksstarken Lecture-Performance: ?Wir sprechen gef?hrlich mehrdeutig“, erinnerte die Bachmann-Preistr?gerin die Tagungsteilnehmenden. Insbesondere die disziplin?re ?Mehrsprachigkeit“ stellte eine bereichernde Herausforderung für die Kommunikation und den f?cherübergreifenden Austausch zu Fragen und L?sungsans?tzen einer kulturbezogenen Lehrerinnen- und Lehrerbildung dar. Die thematisch strukturierten Sessions und Foren wurden interdisziplin?r getragen. Neben grunds?tzlichen kulturtheoretischen Verortungen der Lehrerinnen- und Lehrerbildung stand die Anbahnung eines professionellen Umgangs mit kultureller Heterogenit?t im Klassenzimmer als Potenzial, Aufgabe und Herausforderung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung im Vordergrund. Aber auch in Sessions zu kultureller Bildung an au?erschulischen Lernorten, der Schule als kulturellem und enkulturierendem Ort sowie zur Praxis kulturbezogener Lehrerbildung pr?sentierten und diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer f?cherübergreifend ihre Ans?tze und Forschungsergebnisse. Viele Tagungsbeitr?ge zeugten von einem gro?en Interesse an Fragen sprachlich-kultureller Bildung im Angesicht zunehmender Heterogenit?t in den Klassenzimmern und problematisierten zugleich die Reduktion von Kultur und Pluralit?t auf Migrationskontexte.
Als besonders gelungen hob der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Johannes Bilstein (Rat für kulturelle Bildung) in seiner Keynote die Spartenvielfalt der Tagung hervor. Er thematisierte in seinen Ausführungen die Problematik des Kulturbegriffs selbst: So beinhalte der Containerbegriff oft gleichzeitig Aspekte von Selektion, Abgrenzung und Diversifizierung, von Hochkultur ebenso wie von allgemeiner Lebensart und er?ffne damit insbesondere für Lehrerinnen- und Lehrerbildung Spannungsfelder. Bilstein pl?dierte für eine neue Sch?rfung des Kulturbegriffs unter Fokussierung auf Intentionen kultureller Bildung, wie beispielsweise Qualifikation, Enkulturation und Bildungsgerechtigkeit, Freude und Sinn, durchaus aber auch Irritation. Wo verschiedene Modi der Welterfahrung in Austausch treten, sind Irritationen zu erwarten, die jedoch für schulische Bildungsprozesse durchaus fruchtbar gemacht werden k?nnen, was die Tagungsteilnehmenden in den zahlreichen und heterogenen Beitr?gen selbst erlebten und diskutierten.
Der Literaturwissenschaftler und Fachdidaktiker Prof. Dr. Michael K?mper-van den Boogaart (Humboldt-Universit?t zu Berlin) betonte in seiner Keynote einmal mehr das Bildungspotenzial, das in einer Vernetzung der Disziplinen des geisteswissenschaftlichen F?cherkanons, vor allem auch im Bereich der Lehre, liege. Unter Rekurs auf die Geschichte der universit?ren Lehrerinnen- und Lehrerbildung charakterisierte er diesbezügliche St?rken der Geisteswissenschaften und ihre Relevanz im Rahmen von (schulischen) Bildungsprozessen.
Zum Abschluss der Tagung verwies die Sprecherin des Bamberger WegE-Projekts Prof. Dr. Annette Scheunpflug auf die enkulturierende Aufgabe von Schule im Angesicht einer wahrgenommenen Unsch?rfe von Kultur. Eine metareflexive kulturbezogene Bildung von (angehenden) Lehrkr?ften sei vor diesem Hintergrund zwingend notwendig, um einen kompetenten Umgang mit kultureller Heterogenit?t anzubahnen und einem essenzialistischen Verst?ndnis von Kultur vorzubeugen. Ganz in diesem Sinne ist das Ergebnis der international besuchten Tagung der Universit?t Bamberg zu deuten, die durch das interdisziplin?re Ausloten verschiedener Lesarten und Geltungsbedingungen kultureller Bildung einen zentralen Beitrag zur Weiterentwicklung einer kulturellen Lehrerinnen- und Lehrerbildung initiierte.
Hinweis
Diesen Text verfassten Benjamin Bauer und Katharina Beuter. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.