Zusammenfassung
Die Epoche der Mongolenzeit, in der die Dynastie der Ilkhane über Iran herrschte (13.-14. Jahrhundert), ging mit einer besonderen Art des kulturellen Wandels einher, die sich auch mit dem Spannungsfeld zwischen ?Resilienz“ und ?Integration“ umschreiben lassen. Dies wird unter anderem in ?berresten monumentaler Bauwerke und st?dtebaulicher Projekte sichtbar. Arch?ologische St?tten versprechen Information über bislang wenig berücksichtigte Aspekte. Unter ihnen ragt der Stiftungskomplex des Rab?-i Rashidi in T?bris wegen seiner gut belegten historischen Bedeutung, der einzigartigen Schriftquellen zu seiner Gründung und seinem Betrieb sowie wegen seiner Zug?nglichkeit für die Feldforschung heraus.
Die Dynastie der Ilkhane (ca. 1256-1335), begründet durch Dschingis Khans Enkel Hülegü, hatte einen pr?genden Einfluss auf die politische, demographische, soziale und kulturelle Verfasstheit Irans. Zum ersten Mal seit der islamischen Eroberung im 7. Jahrhundert bildete Iran wieder eine eigenst?ndige politisch-territoriale Entit?t. Das Reich der Ilkhane war umzingelt von Feinden (den Mamluken, den rivalisierenden mongolischen Reichen der Goldenen Horde und der Chaghataier) und war damit in territoriale Schranken verwiesen. Zustrom und dauerhafter Verbleib einer gro?en Zahl von reiternomadischen Mongolen und Türken in ein von Sesshaftigkeit und Landwirtschaft gepr?gtes Habitat stellte für Eroberer wie Eroberte eine Herausforderung dar. Allianzen zwischen mongolischen und einheimischen Eliten waren die Folge. Ph?nomene und Prozesse der Resilienz und der Integration sind auf beiden Seiten zu beobachten. Für die Aufrechterhaltung ihres nomadischen Lebensstils mussten sich die Mongolen in den Regionen konzentrieren, die dafür geeignet waren, d.h. im in den n?rdlichen und nordwestlichen Regionen des iranischen Hochlandes. Die iranischen Verwaltungskader begleiteten das eigentliche Zentrum der Macht, das herrscherliche Hoflager (ordu) auf dessen Wanderungen. Die Ilkhane waren begeisterte Bauherren. Auf ihren Befehl entstanden Bauten und Siedlungen entlang ihrer Wanderungsrouten, wurden St?dte erweitert oder sogar neu gegründet. Infolge von Erdbeben, Kriegshandlungen oder gezielter Zerst?rung sind nur wenige architektonische und arch?ologische ?berreste der Mongolenzeit sichtbar. Ihre Erforschung wird zus?tzlich erschwert, weil Mongolenzeit in der iranischen Forschung eher vernachl?ssigt wird.
Zum besseren Verst?ndnis von Raumkonzepten, Migrationsmustern und Stadtentwicklung ist es das Ziel des transdisziplin?ren Projekts, Textquellen und arch?ologische Befunde wechselseitig füreinander fruchtbar machen. Zun?chst sollten Wanderungsrouten und saisonale Haltepl?tze ausfindig zu machen und in einer georeferenzierten Karte dokumentieret werden. Diese sollte den Ausgangspunkt für punktuelle Feldforschung bilden. Ein Ort, der sich hierfür anbietet, ist die Gegend um Bustanabad (ca. 60 km süd?stlich von Tabriz). Erste Sondierungen lassen vermuten, dass sich hier die bedeutende saisonale Residenz von Ujan befand. Mongolische Aktivit?ten im Bereich Stadtentwicklung sind in narrativen und urkundlichen Quellen belegt. In Tabriz haben in deutsch-iranischer Kooperation Ausgrabungen zum Rab?-i Rashidi, eines der gr??ten Stiftungskomplexe der damaligen Zeit, begonnen. Auch hier versprechen sich Textquellen und arch?ologische Funde auf das Beste zu erg?nzen. Das Projekt sollte im Rahmen von drei Grabungskampagnen die vorg?ngigen Erkundungen weiterführen und erg?nzen.
Diese Ziele sind zu weiten Teilen durch die Covid19-Infektion und nachfolgende Entwicklungen nicht mehr realisierbar gewesen. Vor allem war in den Jahren 2020-2022 keinerlei Feldforschung im Iran m?glich. Daher konzentrierte sich das Projektteam vor allem auf drei Aspekte:
Weitere Auswertung der Ergebnisse der Feldforschungen 2017-2019 auf dem Gel?nde des Rab?-i Rashidi: Aus dem ergrabenen Material und den Aufnahmen bestehender Architekturreste konnten erste, zun?chst noch vorl?ufige Hypothesen zu den Bauten der Gründungsphase und zu sp?teren Nutzungsphasen abgeleitet werden.
Analyse von Schriftquellen zur Wasserversorgung des Rab?-i Rashidi: Insbesondere sollte die Stiftungsurkunde mit der existierenden Topographie (vor allem nach ?lteren Luftbildern und Karten) abgeglichen werden, um weitere Klarheit über die hydraulischen Installationen im Zuge der Gründung Rashid ad-Dins zu gewinnen.
Auswertung von Schriftquellen zur Epoche der osmanisch-safavidischen Konflikte in Nordwestiran: Eine Vielzahl von persischen und osmanischen Quellen, die z. T. unzul?nglich erschlossen waren, enth?lt Informationen über die osmanischen Feldzüge des sp?ten 16. Jahrhunderts, die mehrfach zur Besetzung von Tabriz führten, sowie die safavidischen Rückeroberungen. Auch über Bauma?nahmen wird berichtet. Diesen Quellen zufolge ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Südbastion der Befestigungsanlagen auf dem Rab?-i Rashidi auf osmanische Initiative zurückzuführen ist.
Die Ergebnisse der Forschung wurden in zahlreichen Aufs?tzen und Pr?sentationen publiziert.
a) Aufs?tze
Birgitt Hoffmann: “The Mongol Ilkhanate of Iran: Realm or Empire?”. In: Empires to be Remembered. Ancient World through Modern Times, ed. by Michael Gehler and Robert Rollinger. Wiesbaden: Springer 2022, pp. 355-365.
Christian Fuchs: A study of the defensive architecture on the site,in:Ahmad Mortazi (ed.): Proceedings of the First International Conference on the Commemoration of Rashid al-Din Fazl-Allah Hamadani (University of Tabriz, March 2021), Tabriz: University of Tabriz Press, 2021, pp. 265-294.
Birgitt Hoffmann: The Waqfna?ma-yi Rab?-i Rashi?di?– the most important written source for the understanding of the Rab?-i Rashi?di? endowment, in: in:Ahmad Mortazi (ed.): Proceedings of the First International Conference on the Commemoration of Rashid al-Din Fazl-Allah Hamadani (University of Tabriz, March 2021), Tabriz: University of Tabriz Press, 2021, pp. 337-348.
Lorenz Korn and Anja Heidenreich: The Site of Rab?-i Rashidi, Tabriz: Goals and Beginnings of the Iranian-German Research Project, in:Ahmad Mortazi (ed.): Proceedings of the First International Conference on the Commemoration of Rashid al-Din Fazl-Allah Hamadani (University of Tabriz, March 2021), Tabriz: University of Tabriz Press, 2021, pp. 295-314.
Thomas Lorain: The Rab?-e Rashidi archaeological campaign, Tabriz: Trench XII-XIII, preliminary results 2019, S. 315-336in: in:Ahmad Mortazi (ed.): Proceedings of the First International Conference on the Commemoration of Rashid al-Din Fazl-Allah Hamadani (University of Tabriz, March 2021), Tabriz: University of Tabriz Press, 2021, pp. 315-336.
Birgitt Hoffmann, Lorenz Korn, Jonas Elbers, Thomas Lorain, Maryam Moeini, Hossein Esmaili Atigh and Bahram Ajorloo: Prestigious Building and Urban Development in Ilkhanid Iran: The Rab?-i Rashi?di? in Tabriz as an Example of Resilience and Vulnerability in a Long-Term Perspective, accepted for: Reinhard Bernbeck et al. (eds.): Coming to Terms with the Future: Concepts of Resilience for the Study of Premodern Societies (Papers given at the opening conference of the DFG-SPP 2176: Iranian Highlands), Leiden: Sidestone (in press).
Thomas Lorain, Christian Fuchs und Lorenz Korn: “Ilkhanid Tabrīz: Architectural and Archaeological Research on the Rab?i Rashīdī, Season 2019”, e-Forschungsberichte des Deutschen Arch?ologischen InstitutseDAI-F 2022-2 § 1-35, https://doi.org/10.34780/3h77-denz.
b) Vortr?ge
Mitglieder des Forschungsteams trugen zu einer Online-Tagung bei, die von der Universit?t Tabriz unter Beiteiligung von Dr. Bahram Ajorloo, Tabriz Islamic Art University, am 2. M?rz 2021 veranstaltet wurde: “The First International Conference on the Commemoration of Khwaje Rashid al-Din Fazl-Allaha Hamadani”:
- Birgitt Hoffmann: “The Waqfna?ma-yi Rab?-i Rashi?di? – the most important written source for the understanding of the Rab?-i Rashi?di? endowment”. Maryam Moeini gave an abstract in Persian of this paper
- Thomas Lorain: The Rab?-i Rashīdī Archaeological Campaign, Tabriz: Trench XII & XIII preliminary results (2019)
- Christian Fuchs: ?Rab?-i Rashidi. A study of the Defensive Architecture on the Site” (Christian Fuchs, M.Sc. is member of the Irano-German International Project of Rab?-e Rashidi antecedent and parallel to the Priority Programme)
Auf dem 12th International Congress on the Archaeology of the Ancient Near East (ICAANE), Bologna, 6.-9. April 2021, wurde das Projekt mit den folgenden Beitr?gen vorgestellt:
- Maryam Kavyannia, Bahram Ajorloo, Thomas Lorain "The Rashidiyya in Tabriz: Review of 100 Years of Historical andArchaeological Investigations"
- Christian Fuchs, Bahram Ajorloo: "Architectural Remains on the area of Rab?-e Rashidi, Tabriz"
- Bahram Ajorloo, Lorenz Korn: "The Irano-German Explorateion of Rab'-e Rashidi, Tabriz, Iran: Recent Excavations and Interpretations (2019)"
Auf dem Webinar zum Internationalen Rab’-e Rashidi-Forschungsprojekt, veranstaltet von der Tabriz Islamic Art University am 23. Dezember 22021, wurde das Projekt mit Vortr?gen von Christian Fuchs and Lorenz Korn dargestellt.
Weitere Vortr?ge von Mitgliedern der Forschergruppe:
- Lorenz Korn: "Rab'-e Rashidi: Recent Research on a 14th-century complex at Tabriz (Iran)", Eurasian Lectures on Tuesdays, Eurasien-Abteilung des Deutschen Arch?ologischen Instituts, online, 20. Oktober 2020
- Lorenz Korn: "Rab?-e Rashidi: Arch?ologische und historische Forschung zu einem Stiftungskomplex des 14. Jahrhunderts in T?bris (Iran)", ?ffentlicher Vortrag im Arch?ologischen Kolloquium, Universit?t Bamberg, online, 12. Januar 2021
- Thomas Lorain : ? Fouilles du Rab?-i Rashīdī à Tabriz (Iran). Des sources à la réalité du terrain. ?, Vortragsreihe von Prof. Elo?se Brac de la Perrière, Université Paris-Sorbonne, online, 12. M?rz 2021
- Lorenz Korn "From waqf to Archaeological Site: The Rab‘-e Rashidi (Tabriz)", Vortrag auf dem 4e Congrès des études sur le Moyen-Orient et les mondes musulmans, Universit?t Aix-en-Provence (online) 28. Juni – 2. Juli 2021
- Birgitt Hoffmann: “Ilkhanid approaches to appropriate, capitalize and develop the lands under their control: ways of land tenure, providing infrastructure and building politics”, Vortrag auf dem Workshop des SPP2176 "Institutional Landscape and Empires in Ancient Iran", Istanbul, 4.-7. Juli 2022